Rede zur Vernissage der Ausstellung Weihnachtsmythologie und Kommerz
Am 24.11.2023 Kolonie Wedding
Künstler Dima Dobrovolskij und Sebastian Herrling
Liebe Besucherinnen und Besucher, ich darf Sie im Namen der Künstler Dima Dobrovolskij und Sebastian Herrling recht herzlich zur Ausstellung „Weihnachtsmythologie und Kommerz“ begrüßen. Mein Name ist Birgit Woide, ich bin Kuratorin und Galeristin und freue mich, sie mit einigen Worten in die Ausstellung einzuführen und später die Weltpremiere eines Collage-Battles sowie die anschließende Versteigerung der dabei entstandenen Kunstwerke zu moderieren.
Bevor ich auf die künstlerischen Intentionen eingehe, möchte ich kurz einige Aspekte des historischen Hintergrundes und der Bedeutung des Weihnachtsfestes und dem ihm vorangehenden Advent beleuchten.
Das Wort Advent stammt ursprünglich von dem lateinischen Begriff „Adventus“ ab, was auf Deutsch so viel wie „Ankunft“ heißt. Es bezieht sich also in diesem Fall auf die Ankunft von Jesus Christus, der der biblischen Überlieferung zufolge an dem Tag geboren wurde, der nach heutigem Kalender der 24. Dezember ist. In der vierwöchigen Adventszeit bereiten sich die Gläubigen also auf die Ankunft von Jesus vor. Die vier Adventssonntage stehen dabei symbolisch für 4.000 Jahre, die die Menschen nach dem Sündenfall von Adam und Eva auf den Erlöser warten mussten. Und das, was für den Christen die Adventssonntage sind, sind für den gläubigen Konsumenten die 4 verkaufsoffenen Sonntage und der Heilige Abend die Erlösung vom Warten auf die hoffentlich zahlreichen Geschenke.
Die Figur des Weihnachtsmannes geht auf den heiligen Nikolaus zurück. Nikolaus war im 4. Jahrhundert Bischof von Myra, einer kleinen Stadt in Kleinasien, der heutigen Türkei. Er soll laut Überlieferung, als Sohn reicher Eltern, sein gesamtes Vermögen unter den Armen verteilt haben. Mit den Augen eines Kapitalisten betrachtet, also eine dumme Tat, außer er könnte sie für eine Imagekampagne nutzen. Wohltätigkeitsveranstaltungen sind heutzutage ja ein beliebtes Mittel zur Imagepflege und zum Steuersparen in wohlhabenden Kreisen.
Publizistisch erwähnt wurde der „Weyhnachtsmann“ in Deutschland erstmals im Jahr 1770 in der Berliner Wochenzeitschrift „Mannigfaltigkeiten“. 1835 schrieb August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Dichter der deutschen Nationalhymne, das Lied „Morgen kommt der Weihnachtsmann“, was sicherlich einige von ihnen kennen und trug damit erheblich zur Verbreitung dieser Figur bei.
Schon 1866 konnte man in Deutschland den allerersten echten Schoko-Weihnachtsmann essen. Was wieder einmal zeigt, dass wir in den wirklich wichtigen Dingen anderen Nationen schon früher weit voraus waren.
Aber so richtig, hat erst der Coca-Cola Konzern den Weihnachtsmann in aller Welt, auch in den nicht christlichen Regionen, bekannt gemacht. 1931 nämlich beauftragte die Coca-Cola Company den Zeichner Haddon Sundblom, „Santa Claus“, abgeleitet von „Sinta Claas“, den die niederländischen Einwanderer in die USA mitgebracht haben, für einen weihnachtlichen Werbefeldzug zu zeichnen. Er designte einen großväterlichen Typ mit Rauschebart, rotem Mantel und weißem Pelzkragen, den wir noch heute mit dem Weihnachtsmann assoziieren. Seither produziert Coca-Cola jedes Jahr eine aufwendige Weihnachts-Kampanie, die für die immer üppigeren Weihnachtsdekorationen stilprägend ist.
Dobrovolskij hat sich in seinen Arbeiten mit der Coca-Cola Company als exemplarischem Vertreter der immer neue Bedürfnisse generierenden kapitalistischen Wirtschaft und deren Folgen für die Umwelt, die Gesundheit und die menschliche Gesellschaft auseinandergesetzt. Es ist sicher kein Zufall, dass aktuell die Konzerne Mc Donald’s und Coca-Cola von vielen Menschen in arabischen und islamischen Ländern boykottiert werden; gelten sie doch weltweit als Symbol für die US-Wirtschaft.
Sebastian Herrling untersucht den Widerspruch zwischen den offiziell verbreiteten Lehren der Institution Kirche wie Liebe, materielle Entsagung, Gleichheit aller Menschen vor Gott, Gewaltfreiheit und dem Handeln ihrer Vertreter, welches oft in krassem Widerspruch dazu stand und steht.
Aber es reicht nicht nur, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Wir alle sind Beteiligte in diesem System. Die meisten von uns lassen sich nur als zu leicht zum Konsum verführen oder machen zähneknirschend bei der Geschenke-Rallye mit. Wahrscheinlich wünscht sich jeder von uns friedliche Weihnachtstage und trotzdem brechen Familienkonflikte gerade jetzt auf.
Vielleicht regen die künstlerischen Arbeiten sie auch zur Auseinandersetzung mit ihren eigenen Wünschen, Bedürfnissen und ihrem Verhältnis zum Konsum insbesondere zu Weihnachten an.
Beide Künstler bedienen sich der Collage bzw. einer Mischtechnik als künstlerisches Ausdrucksmittel. Texte neben den Bildern ergänzen die Arbeiten. Beide Künstler sind sehr gern bereit, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihre Fragen zu beantworten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.